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Neuer Imkerbund (NIB) gegründet – Ein neuer Akteur in der Bienenpolitik – Ein Gespräch im Vorstand

Am 8. September 2022 wurde von interessierten und aktiven Imkerinnen und Imker der Neue Imkerbund gegründet. Das folgende Gespräch der Mitglieder des Gründungsvorstands gibt Auskunft und Einblicke über die Motive zu diesem Schritt.

Jürgen Binder, Imkermeister und Präsident: „Die Natur hat sich als Überlebensstrategie die Vielfalt zu eigen gemacht“ – so sagte der jetzige britische König Charles III. als Prinz bei einer seiner vielen Ansprachen vor Landwirten, Umweltschützern und Menschen, die den Systemwandel in der Gesellschaft hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise vorantreiben wollen. Dieser Satz ist zu einer Richtschnur meines Handelns geworden und erklärt auch, weshalb wir den Schritt gegangen sind, einen Neuen Imkerbund zu gründen. Wenn Du Veränderung willst und die vorhandenen Strukturen den notwendigen Wandel nicht erkennen oder nicht umsetzen können, dann musst Du eben selbst aktiv werden. Wenn wir nicht mit der Imkerei angefangen hätten, dann gäbe es unsere Bienenstände einfach nicht. Also werden wir jetzt aktiv.

Wolfgang Perzlmeier, Vizepräsident: Als ich mit der Imkerei angefangen habe, suchte ich Anschluss an Gleichgesinnte. Ich fand zwar Imker in meiner Gegend, habe aber bei Vereinsversammlungen schnell gemerkt, dass ein anderer Imker deswegen noch lange kein „Gleichgesinnter“ ist. Ich möchte mich vorurteilsfrei und an der Sache orientiert mit anderen über meine Passion – die Bienenhaltung – unterhalten können. Ich möchte, dass sich Anfänger und Fortgeschrittene auf Augenhöhe begegnen. Ich möchte ein harmonisches Zusammensein mit allen Imkerfreunden, egal welche Farbe ihre Bienen haben. Ich fand es schon sehr merkwürdig, worüber Imker in Wallung geraten können. Das wird bei uns nicht passieren. Der Neue Imkerbund steht allen Imkerinnen und Imkern, allen Wildbienenfreunden und allen, denen der Schutz unserer Lebensgrundlagen am Herzen liegt, offen.

Jan Fischer, Beisitzer: Die Gründung einer Imker-Organisation, die langfristig erfolgreich sein soll, muss ja eine tiefe Verankerung in der Imkerschaft haben und Antworten auf Fragen der Zeit geben. Sonst wäre so eine Gründung nur ein Symbol. Wir meinen aber, dass die bestehenden Verbände das Spektrum dessen, was uns Imker beschäftigt, nicht ausreichend abdecken und auch nicht die erforderliche politische Wirksamkeit entfalten, um einen Systemwandel in Landwirtschaft und unserer eigenen Branche selbst voranzutreiben. Die Zeiten sind allerdings auch vorbei, in denen ein Akteur den Alleinvertretungsanspruch für sich reklamieren kann. Wir möchten ein Angebot für alle ImkerInnen machen, die eine starke Interessenvertretung für die Biene auf Bundesebene, in Europa und International wollen. Bienenschutz ist heute eine internationale Angelegenheit. Wir müssen an die Zulassungsprozesse von Insektiziden ran, die der Biene schaden. Ein gesunder Esstisch ist für unsere Bienen Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung. Dass dabei die Bestäubungsleistung auch noch höher ist, sollte den Bauern eigentlich Motivation genug sein, mit uns Imkern zu kooperieren.

Michael Simon, Beisitzer: Der Berufsimkerbund wurde ja vor fast einhundert Jahren gegründet, weil sich die Berufsimker mit ihren Nöten nicht mehr vertreten sahen. Wir haben heute nach unserer gründlichen Analyse eine ähnliche Situation. Da Bemühungen um einen integrativen, partnerschaftlichen Umgang mit den Akteuren im Imkersektor insgesamt nicht zum Erfolg geführt haben, ist jetzt der Moment gekommen, einen eigenen Verband zu gründen. Vielleicht ist so ein Schritt aber auch alle hundert Jahre unabwendbar. Traditionsreiche Verbände – ob groß oder klein – sind gefangen in Traditionen, Richtungsstreit, Konflikte und langfristig eingegangene Verpflichtungen und Zusagen anderen Akteuren gegenüber, die oft nur langsam gelöst werden können. Auch mögen vielleicht einige aus einer Position der Stärke heraus gar kein Ohr mehr für die Zukunftsfragen, die außerhalb ihrer eigenen Gremien brodeln, haben. Die Welt braucht aber heute Antworten, und wir können nicht erkennen, dass diese Antworten bisher von unserer Branche gegeben werden.

Johannes Kratzer, Beisitzer: Wir Imker selbst haben uns viel zu wenig mit Fragen der Biodiversität, der Leistungsfähigkeit von Naturräumen und von Nahrungsverfügbarkeit für unsere Bienenvölker beschäftigt. Wir werden all diese Fragen in den nächsten Jahren in die Imkerschaft tragen und laden alle ein, Mitglied in unserer neuen Gemeinschaft zu werden. Da wir auch alle notwendigen Versicherungsleistungen anbieten können, sind wir die Zukunftsalternative.

Dominique Schmidli, Beisitzer: Der Neue Imkerbund ist zwar in Deutschland gegründet worden und wird seinen Sitz in der Hauptstadt Berlin haben – damit setzen wir ein klares politisches Zeichen: Wir positionieren und im Herzen der Politik. Aber Mitglied kann jeder werden, der die Ziele des Neuen Imkerbundes teilt. Und die Versicherungsleistungen sind in ganz Europa gültig, auch beim Wandern. Wir setzen also ein Zeichen für einen Neuanfang und einen Aufbruch: Hin zu einem integrativen, kollegialen Miteinander. Das gehört sozusagen zu unserer DNA.

Jürgen Binder: Ich glaube, wir sollten ganz strikt zwischen politischer Arbeit und kollegialen Freundschaften trennen. Ich bin als Berufsimker Mitglied im DBIB, das ist für mich eine berufliche Selbstverständlichkeit. Außerdem bin ich Mitglied in zwei Untergliederungen des DIB in zwei verschiedenen Bundesländern. Das ist für mich eine soziale Selbstverständlichkeit. Von Untergliederungen auf Orts- oder Kreisebene kann man aber in der Regel keinen eigenständigen politischen Auftritt verlangen. Da geht es vor allem um Kameradschaft. Die Mitgliedschaft im Neuen Imkerbund kann also jederzeit als Ergänzung zu den bestehenden Mitgliedschaften bei anderen Imkerverbänden gesehen werden. Wer sich aber klar zu einem Zukunftskonzept bekennen möchte, der ist beim Neuen Imkerbund richtig. Im Laufe der Zeit werden auch regionale Gruppen entstehen, die den neuen Stil pflegen werden. Dieser Entwicklung müssen wir jetzt natürlich ihre Zeit geben.

Jan Fischer: Wir Imkerinnen und Imker müssen uns politisch bemerkbar machen – im Interesse unserer Bienen und auch im Interesse der Imker selbst. Themen wie Klimawandel, Biodiversität, eine Ökologisierung der Landwirtschaft, Systemwandel in der Imkerei, Varroaresistenzzüchtung und – noch in weiter Ferne – behandlungsfreie Imkerei stehen bei uns ganz oben auf der Agenda. Die Öffentlichkeit richtet Fragen an uns, auf die wir Antworten geben müssen: Stören Honigbienen das ökologische Gleichgewicht in Naturräumen? Sollten Bienen nicht besser „ausgewildert“ und in künstlichen Baumhöhlen sich selbst überlassen werden? Kommt „Honigraub“ nicht Tierquälerei gleich? Ist extensives Imkern in der Bienenbox, Easybeebox, Bienenkiste usw. nicht besser für die Bienen? Wir haben als Fachleute auf diese Fragen keine Antworten gegeben. Und jetzt haben wir den Salat. Wir sehen ihn jeden Tag auf Facebook und YouTube. Nur sind die Menschen und die zugrunde gehenden Bienenvölker Realität. Deshalb sind wir überzeugt: Es bedarf einer Regulierung im Imkereisektor. Wir werden uns für einen verbindlichen Fachkundenachweis Imkerei einsetzen. So wie es im Moment läuft, geht es nicht weiter.

Michael Simon: Es ist ein Jammer, dass in der gegenwärtigen Situation das Verdampfen von Oxalsäure in Deutschland nicht zugelassen ist. Auch Oxalsäurestreifen sind wesentlich bienenfreundlicher als Besprühen und Beträufeln. Wir werden uns für die Zulassung dieser Methoden engagieren, wobei der Imker auch eine Verantwortung trägt. Zulassungsprozesse sind kostspielig, die zugelassenen Präparate folglich teurer als das selbst anrühren von Medikamenten. Imker müssen lernen, dass zugelassene Produkte und Methoden auch ihren Preis haben und diese dann auch kaufen und verwenden.

Johannes Kratzer: Der Neue Imkerbund ist ein Zusammenschluss von Imkern, Bienenfreunden und Naturschützern. Dabei machen wir keinen Unterschied zwischen Erwerbs- und Hobbyimkern. Aber wir öffnen den Neuen Imkerbund auch für Menschen, die zunächst die Bienenhaltung als Beitrag zur Stabilisierung der Biodiversität sehen und die vor allem den Schutz der Natur in den Blick nehmen. Denn das sind wir Imker ja auch: Botschafter für die Artenvielfalt. Ich denke, dass die vielen Neuimker bei uns ihre politische Heimat finden werden. Da wir alle notwendigen Versicherungen anbieten können, werden alle, die so denken wie wir, zu uns kommen. Der Neue Imkerbund ist ein Bundesverband. Es ist nicht beabsichtigt, Landesverbände zu gründen.

Jürgen Binder: Wir bieten alles, was eine Imkerin oder ein Imker braucht: 1. Politische Vertretung im Interesse der Gesundheit unserer Bienen, 2. eine moderne Kommunikation, 3. ein klares Bekenntnis zu einer effektiven, wirtschaftlichen Imkerei, die auch die Interessen der anderen in der Natur lebenden Insekten und Wildtiere berücksichtigt, 4. eine Zielrichtung hin zu einer behandlungsfreien Imkerei und 5. einen ganz starken Fokus auf Biodiversität, Klima- und Systemwandel, 6. eine Offenheit für Haltungsformen, die eher einer extensiven Bienenhaltung entspricht und 7. Arterhaltung durch natürliche Selektion, die eher einer Auswilderung von Bienenvölkern entspricht, faire Preise für uns Erzeuger und der Beginn einer Wertschätzung für unsere Arbeit und die Produkte unserer Bienen.

Das sind die Fragen unserer Zeit, die weit über die Imkerei hinausgehen. Wir machen die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zur Richtschnur unserer Verbandspolitik und orientieren uns am Leitfaden für gute imkerliche Praxis, den die APIMONDIA gemeinsam mit der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen publiziert hat. Das sind unsere Alleinstellungsmerkmale. Bei uns kann jeder die assoziierte Mitgliedschaft, die Fördermitgliedschaft oder eine der anderen Mitgliedschaften erwerben, wir laden alle ein die Verbandsziele zu unterstützen. Der Mitgliedsbeitrag liegt bei 62 Euro, davon leiten wir 2 Euro an die APIMONDIA weiter. Das ist unser Beitrag für die internationale Arbeit, die vom Weltverband für uns geleistet wird.